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Erbschaft und Pflichtteil im Insolvenzverfahren – ist ein Verzicht möglich?

Erbschaft und Pflichtteil im Insolvenzverfahren: Was Schuldner wissen sollten

Der Beitrag zeigt auf, welche rechtlichen Folgen und Pflichten Insolvenzschuldner bei der Annahme oder Ausschlagung von Erbschaften und Pflichtteilsansprüchen beachten müssen.

Die Frage, ob ein Insolvenzschuldner ein Erbe ausschlagen oder auf einen Pflichtteil verzichten sollte, wirft in der Praxis zunehmend rechtliche und strategische Überlegungen auf. Gemäß § 83 Abs. 1 InsO hat nur der Schuldner das Recht, vor und während dem Insolvenzverfahren ein Erbe oder Vermächtnis auszuschlagen oder anzunehmen. Diese Entscheidung ist eine höchstpersönliche Angelegenheit und kann weder durch das Insolvenzgericht noch den Insolvenzverwalter erzwungen werden.

 

Auswirkungen auf die Restschuldbefreiung

Es stellt sich aber die Frage, ob die Ausschlagung einer Erbschaft oder der Verzicht auf einen Pflichtteilsanspruch Auswirkungen auf die Restschuldbefreiung haben kann – vor allem, ob dies als Verletzung der Obliegenheiten des Schuldners gewertet wird. Denn wer zahlungsunfähig ist und die Restschuldbefreiung erreichen möchte, muss während dieser Zeit die im Gesetz festgelegten Obliegenheiten einhalten. In Betracht kommt bei einem Ausschlagen der Erbschaft oder einem Verzicht auf einen Pflichtteilsanspruch eine Obliegenheitsverletzung nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Hiernach muss der Schuldner in der Wohlverhaltensphase die Hälfte des Vermögens, das er von Todes wegen erwirbt, an den Treuhänder abgeben (sog. Halbteilungsgrundsatz). Dazu zählen neben Erbschaften auch Pflichtteilsansprüche oder Vermächtnisse. Die Insolvenzmasse und damit die Möglichkeit, die Gläubiger zu befriedigen wird durch diese Entscheidung schließlich direkt beeinflusst.

 

Obliegenheitsverletzung durch Erbverzicht?

Ein Argument für die Annahme einer Obliegenheitsverletzung ist das grundlegende Prinzip der Insolvenzordnung, das die bestmögliche und gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger in den Vordergrund stelle. Dies legt nahe, dass im Fall einer Erbschaft das Insolvenzrecht Vorrang vor den allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen hat, welche die Obliegenheit zur Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft durch die Höchstpersönlichkeit überlagerten. Die Überlegung, dem Insolvenzverwalter das Recht zu übertragen, über die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft zu entscheiden, wird nicht nur durch die Zugehörigkeit der Erbschaft zur Insolvenzmasse unterstützt, sondern auch durch § 80 Abs. 1 Nr. 1 InsO, der dem Insolvenzverwalter die Verfügungsbefugnis über alle vermögenswerten Rechte des Schuldners einräumt. Eine Vorherrschaft des allgemeinen Rechts über das Insolvenzrecht führt oft dazu, dass die Insolvenzmasse verringert wird, was letztlich den Interessen der Gläubiger zuwiderläuft Dies widerspricht dem Grundsatz, dass ein insolventer Schuldner sein gesamtes Vermögen zugunsten der Gläubiger einsetzen soll. Auch bei der Entscheidung über eine Erbschaft soll die Befriedigung der Gläubiger im Mittelpunkt stehen.

 

Die Bedeutung der höchstpersönlichen Entscheidung

Es ist jedoch vielmehr der hohe Stellenwert der höchstpersönlichen Entscheidung über eine Erbschaft zu berücksichtigen. Die Höchstpersönlichkeit soll durch ihre enge Verbundenheit mit nur einer bestimmten Person privilegiert werden. Aus dem Wortlaut des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO lässt sich jedoch nicht eindeutig ableiten, ob der Schuldner während der Wohlverhaltensphase verpflichtet ist, eine Erbschaft nicht auszuschlagen oder einen Pflichtteilsanspruch zu geltend . Der Sinn und Zweck der Vorschrift spricht jedoch klar dagegen, dem Schuldner eine solche Verpflichtung aufzuerlegen. Die Regelung zielt darauf ab, den Schuldner davon abzuhalten, durch Ausschlagung einer Erbschaft oder ähnliche Maßnahmen dafür zu sorgen, dass ihm das betreffende Vermögen während der Wohlverhaltensphase gar nicht zufällt, indem „nur“ die Hälfte in die Insolvenzmasse fallen soll. (BT-Dr 12/2443, S. 192).

 

Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, den Schuldner in der Wohlverhaltensphase zur Annahme von Erbschaften oder zur Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen zu verpflichten, wäre eine entsprechende Regelung erforderlich gewesen. Der Halbteilungsgrundsatz und der dahinterstehende Anreiz, eine Erbschaft nicht auszuschlagen, würden sonst ihren Zweck verfehlen.

 

Rechtsprechung: Kein mittelbarer Zwang zur Annahme von Erbschaften

Es kann daher nicht sein, dass der Verzicht auf ein Erbe oder einen Pflichtteil als Obliegenheitsverletzung gewertet wird. Ein indirekter Zwang, eine Erbschaft anzunehmen oder den Pflichtteil geltend zu machen, wäre unzulässig. Der Halbteilungsgrundsatz aus § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO greift erst, wenn der Schuldner die Erbschaft angenommen oder den Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hat oder dieser anerkannt wurde. Dies bestätigte auch der BGH mit Beschluss vom 25.06.2009 – IX ZB 196/08.

 

Verbot der Verheimlichung von Vermögen: § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO

Zu beachten ist auch § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Diese Regelung verbietet dem Schuldner, von Todes wegen erworbenes Vermögen, das unter die Abtretungserklärung fällt, zu verheimlichen. „Verheimlichung“ bedeutet, dass der Schuldner dem Treuhänder Informationen über von der Abtretung erfasste Vermögenswerte vorenthalten muss. Es besteht jedoch keine Pflicht für den Schuldner, unaufgefordert Informationen zu einer Erbschaft oder einem Vermächtnis offenzulegen, solange noch unklar ist, ob die Erbschaft angenommen oder ausgeschlagen wird, oder ob ein Pflichtteilsanspruch geltend gemacht wird.

 

Fazit

Es ist daher allein Angelegenheit des Schuldners, ob er eine Erbschaft annimmt oder ausschlägt. Wenn der Schuldner die Erbschaft annimmt, muss er die Verpflichtungen aus § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfüllen, um die Restschuldbefreiung zu erlangen. Das Ausschlagen einer Erbschaft kann zwar unter bestimmten Umständen angefochten werden, bleibt jedoch grundsätzlich bindend. Dies bedeutet, dass der Schuldner auch nach der Restschuldbefreiung keinen Zugriff auf das Vermögen des Erblassers erhält.

Erbschaft und Pflichtteil im Insolvenzverfahren von Rechtsanwalt Soeren Eckhoff - Anwalt für Insolvenzrecht Bremen und Berlin

Über den Autor

Rechtsanwalt Soeren Eckhoff – spezialisiert auf die Bereiche Insolvenzrecht und Sanierung

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